Das Opfer ist heute nicht mehr arbeitsfähig und lebt unter der Armutsgrenze. Es geht ihm nach den vielen Jahren, die vergangen sind, darum, dass er in form von Schadenersatz ein bisschen von dem zurückbekommt, was ihm genommen wurde. Er möchte für die Zukunft sie Sicherheit haben, dass die Kosten für die Therapie von dem getragen werden, der für das Leid verantwortlich ist.
Neben zahlreichen sexuellen und gewalttätigen Übergriffen, die teilweise auch Gegenstand des Strafverfahrens sind, enthält die Klage weitere bisher nicht bekannte Vorwürfe gegen das „System Kremsmünster“. Das Stift Kremsmünster bestreitet die Vorwürfe, sodass noch Zeugen gesucht werden, die sich jederzeit gerne unter office(at)raoe.atmelden können.
Die Verhandlung wurde nach der ersten Tagsatzung auf unbestimmte Zeit vertagt. Nun ist ein Gutachter am Wort, um die die Vorfrage zu klären, ob eine dissoziative Störung vorliegt, die den Kläger gehindert hat, die Sache früher anzuzeigen
Verjährung als zentraler Punkt der Zivilklage
Der Abt des Stiftes, Ambros Ebhart, hatte am 04.03.2011 dazu noch gegenüber der Presse angegeben:
„Für uns gibt es keine Verjährung"
Mit Schriftsatz vom 02.04.2013 wendete das Stift, vertreten durch Abt Ambros Ebhart nunmehr Verjährung ein wie folgt:
"Unabhängig davon, welcher konkrete Anspruch mit dieser Klage geltend gemacht wird ..., wird jedenfalls der Einwand der Verjährung erhoben."
Aus meiner Sicht und Sicht meines Mandanten kann Verjährung kein Thema sein, weil
- Das Stift hat darauf verzichtet, den Einwand der Verjährung geltend zu machen respektive die Sache dem Grunde nach anerkannt hat (Interview vom 04.03.2011).
- Nach der im Zusammenhang mit den „Mauerschützenfällen“ in Deutschland angewendeten „Radbruch’sche“ Formel ist der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit dahin zu lösen sein, daß "das positive Recht auch dann den Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht und unzweckmäßig ist, es sei denn, daß der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, daß das Gesetz als »unrichtiges Recht« der Gerechtigkeit zu weichen hat.
- Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, das die absolute Verjährungsfrist zugunsten von begünstigten Körperschaften 40 Jahre dauert, zu ihren Lasten aber nur 30 Jahre (im Fall der Amtshaftung gar nur 10 Jahre).
- Die österreichischen Verjährungsregeln sind im konkreten Fall mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art 1, Würde des Menschen; Art 21, Nichtdiskriminierung).
- Es ist rechtsmißbräuchlich und sittenwidrig, wenn ein Täter oder eine Organisation, die für das Verschulden dieses Täters wie für eigenes einzustehen hat, sich auf Verjährung beruft, wenn er/sie selbst die Verantwortung dafür trägt, dass das Opfer seine Rechte nicht vor dem formalen Ablauf der Verjährungsfrist geltend machen konnte.
- Mißbrauch bewirkt eine Dissoziation, also eine vielgestaltige Störung, bei der es zu einem teilweisen oder völligen Verlust von psychischen Funktionen wie unter anderem des Erinnerungsvermögens kommt. Dadurch werden die Verjährungsfristen gehemmt bzw unterbrochen.
Meinem Mandanten und mir ist bewusst, dass wir mit dieser Argumentation in gewisser Weise juristisches Neuland betreten und es Mut braucht, zumal noch keine höchsgerichtliche Rechtsprechung besteht. Fakt ist, dass das europaweite Aufbrechen der Mißbrauchsfälle, das auch vor Österreich nicht Halt gemacht hat, zeigt, dass Generationen von Menschen, Zigtausende, Hans Weiss spricht von 100.000 Opfern, davon betroffen sind und es daher kein Zufall sein kann, dass die Menschen so lange brauchen, um Worte zu finden und Taten zu setzen.