Bewertungen von Zahnarzt von Bewertungsportal gelöscht
Der Kläger ist Zahnarzt mit Spezialisierung auf Behandlung der Craniomandibulären Dysfunktion (CMD) spezialisiert und wird von Patienten aus Deutschland und dem Ausland aufgesucht. Die allermeisten seiner Patienten informieren sich vorab sehr ausführlich im Internet über seine Praxis und Arbeit. Er ist wirtschaftlich in hohem Maße von einer positiven Darstellung im Internet abhängig. Die Beklagte betreibt ein weithin bekanntes Internetbewertungsportal, über das die Möglichkeit besteht, öffentlich Bewertungen über Besuche bei Ärzten, Zahnärzten und anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen abzugeben. Bis zum 28.12.2017 hatte der Zahnarzt auf dem Bewertungsportal insgesamt 60 Bewertungen mit einer Gesamtnote von 1,5 (Bestnote = 1,0) erhalten. Am 15.05.2018 waren dort 68 Bewertungen öffentlich einsehbar. Bis Ende des Jahres 2018 war der Zahnarzt zahlender Premiumkunde des Bewertungsportals mit einem entsprechenden Vertrag. Dieser Status erlaubte es dem Zahnarzt, sein - auch ohne diesen Vertrag bestehendes - Basisprofil auszugestalten. Am 10.01.2018 kündigte der Zahnarzt das „Premiumpaket Gold“ zum Ende des Jahres 2018. Im Zeitraum 11. bis 18.01.2018 löschte das Bewertungsportal - ohne Ankündigung und Begründung sowie ohne Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben - zehn zugunsten des Arztes abgegebene Bewertungen aus ihrem Portal. Bis zum Zeitpunkt der Löschung hatten sich die Bewertungen bis zu zwei Jahre unbeanstandet im Bewertungsportal befunden. Der Zahnarzt ging gegen die Löschung gerichtlich mit Klage vor, nachdem ein außergerichtliches Aufforderungsschreiben ohne Erfolg.
Klage auf Wiederherstellung der Bewertung
Das Landgericht München I (Endurteil v. 16.04.2019 – 33 O 6880/18) gab der Klage des Zahnarztes statt und argumentierte, dass die zugunsten des Arztes abgegebenen Nutzerbewertungen grundsätzlich vom Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes umfasst sind.
Eingriff in den Gewerbebetrieb durch Löschung von Bewertungen
Mit der Löschung positiver Bewertungen greift der Portalbetreiber in dieses Recht ein. Ein Anspruch auf Wiederveröffentlichung dieser Bewertungen als auf Naturalrestitution gerichteter Schadensersatz setzt Betriebsbezogenheit und Rechtswidrigkeit des Eingriffs sowie eine relevante Schadensgefahr voraus, für welche grundsätzlich der Arzt darlegungs- und beweisbelastet ist.
Die für den Anspruch auf Wiederveröffentlichung erforderliche Betriebsbezogenheit setzt voraus, dass die Löschung der Bewertungen sich ihrer objektiven Stoßrichtung nach gegen den betrieblichen Organismus des Arztes richtet und diesen nicht nur reflexhaft beeinträchtigt. Hieran fehlt es, wenn die Löschungen ausschließlich der Qualitätswahrung dienen. Für Umstände, die die Betriebsbezogenheit begründen, zB, dass die Löschungen eine Vertragskündigung sanktionieren, trägt der Arzt die Darlegungs- und Beweislast.
Rechtsprechung zur Löschung von negativen Bewertungen übertragbar
Die vom BGH für den Anspruch eines Arztes auf Löschung von Negativbewertungen entwickelten Grundsätze, dass für die Unrichtigkeit einer Bewertung der auf Löschung klagende Arzt darlegungs- und beweisbelastet ist, den Portalbetreiber aber eine sekundäre Darlegungslast trifft, sind auf den Anspruch auf Wiederveröffentlichung positiver Bewertungen entsprechend zu übertragen. Danach hat zunächst der klagende Arzt den behaupteten Rechtsverstoß hinreichend konkret zu rügen. Dies löst dann eine Prüfungspflicht der Beklagten aus, an die strenge Anforderungen zu stellen sind.
Im Rahmen des Anspruchs eines Arztes auf Wiederveröffentlichung gelöschter Negativbewertungen obliegt es zunächst dem klagenden Arzt, konkret, wenn auch ggf. anonymisiert, zur Validität jeder einzelnen Bewertung und zum jeweiligen Behandlungskontakt auszuführen. Hierzu ist er gehalten, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren anhand von Anhaltspunkten aus den betroffenen Bewertungen und mittels Durchsicht seiner Patientenkartei die Person des Bewertenden festzustellen oder zumindest einzugrenzen.
Der Portalbetreiber genügt im Rahmen des Anspruchs auf Wiederveröffentlichung gelöschter Bewertungen seiner sekundären Darlegungslast, indem er vorträgt, wie und warum er zu der Auffassung gelangt ist, dass die Validität der streitgegenständlichen Bewertungen nicht gewährleistet sei. Dabei muss er keine näheren Einzelheiten des Prüfsystems und der Funktionsweise des Prüfalgorithmus offenlegen, weil die sekundäre Darlegungslast einer Partei nur im Rahmen des Zumutbaren besteht, was zur Folge hat, dass Betriebsgeheimnisse grundsätzlich nicht offenbart werden müssen.
Um Missbrauchsgefahren und deren unerwünschten Folgen für die Leistungstransparenz auf einem Bewertungsportal für medizinische Leistungen vorzubeugen und den ordnungsgemäßen Betrieb des Portals zu gewährleisten, ist es dem Betreiber zuzubilligen, Bewertungen im Verdachtsfall oder stichprobenhaft auf ihre Validität hin zu überprüfen und solche Bewertungen, deren Validität nicht feststeht, im Zweifel zu löschen, vorausgesetzt, die Löschung erfolgt nicht willkürlich.
Kein Wettbewerbsverhältnis iSd UWG zwischen Arzt und Portalbetreiber
Zwischen einem Arzt und dem Betreiber eines Bewertungsportals für medizinische Leistungen als neutralem Informationsmittler besteht grundsätzlich kein konkretes Wettbewerbsverhältnis iSd UWG, weder ein unmittelbares noch ein mittelbares. Die mit dem Löschen positiver Bewertungen eines Arztes bewirkte Förderung des Wettbewerbs anderer Ärzte macht die Löschung nicht zu einer geschäftlichen Handlung des Portalbetreibers iSd § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Die anderen Ärzte sind nur gleichsam reflexartig hierdurch in ihrem Marktstreben betroffen.
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