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Veröffentlichung von Doping Strafen durch die NADA (DSGVO)

Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck - EuGH Doping DSGVO

Am 02.05.2023 habe ich vor dem EuGH verhandelt. Offen sind die Fragen: Ist es rechtmäßig (DSGVO), dass Dopingsperren (NADA) ehemaliger Spitzensportler im Internet für jedermann einsehbar unterschiedslos veröffentlicht werden? Ist es verhältnismäßig, dass zB ein dann 89-jähriger ehemaliger Triathlet oder 78-jähriger Rennradfahrer das öffentlich abrufbare Stigma des Doping tragen müssen?

Veröffentlichung von Doping Strafen durch die NADA (DSGVO)

Als Rechtsanwalt vertrete ich ehemalige Spitzensportler, die eine Doping-Sperre erhalten haben. Die NADA Austria (Nationale Anti-Doping Agentur Austria GmbH) veröffentlicht ihre Namen auf ihrer Website mit folgenden Informationen:

  • Name (Vorname und Nachname)
  • ausgeübte Sportart (zB Nordischer Skisport, Langlauf, Kraftdreikampf, Radsport, Triathlon, Leichtathletik, Gewichtheben, Rugby, Boxen, American Football, Fußball, Kickboxen)
  • Verstoß (zB verbotene Substanz in einer Dopingprobe, Gebrauch einer verbotenen Substanz/Methode, Umgehung, Weigerung oder Unterlassen einer Dopingprobe, Meldepflichtverstöße, Verabreichung einer verbotenen Substanz /Methode, Verbotener Umgang mit einer gesperrten Person, usw)

Daneben erfolgen Presseaussendungen der NADA an einen sehr breiten Medienverteiler, in der diese über die Sperren – auch mit voller Namensnennung – berichtet wird.

Die von mir vertretenen ehemaligen Sportler fühlen sich durch diese Veröffentlichung in den ihnen von der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gewährten Rechten verletzt. Ihre Meinung wird durch einen unter gewissen Bedingungen vergleichbaren Fall in Deutschland bestätigt. Im Jahr 2021 musste die Nationale Anti Doping Agentur Deutschland ihre Datenbank NADAjus offline nehmen, auf der alle Dopingvergehen deutscher Athleten aufgelistet waren. Die Sache liegt derzeit bei der Landesdatenschutzbeauftragten Nordrhein-Westfalen (LDI NRW) zur Prüfung. Dort ist man der Meinung, so wie bisher ginge das nicht mehr. Für seine Mandanten war / bin ist Dr. Öhlböck in mehreren Verfahren tätig (Datenschutzbehörde, Bundesverwaltungsgericht, ÖADR, USK), wobei es im Kern immer um die Löschung der Daten auf der Website der NADA geht.

Prüfung durch den EuGH - Vorabentscheidung

Aufgrund eines von Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck LL.M. angeregten Vorabentscheidungsverfahrens (Ausgangsverfahren: Unabhängige Schiedskommission in Wien) beschäftigt sich der Europäische Gerichtshof in der Sache C-115/22 mit der Frage, inwieweit die Veröffentlichung mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vereinbar ist. Am 02.05.2023 fand dazu eine mündliche Verhandlung vor dem EuGH in der Großen Kammer statt, in der sich der Gerichtshof mit den Grundlagen der Veröffentlichung und der Vereinbarkeit mit der DSGVO auseinandergesetzt hat.

Gesetzliche Grundlage der Veröffentlichung

Die Basis der Veröffentlichung bilden § 21 Abs. 3 und § 23 Abs. 14 Anti-Doping-Bundesgesetzes 2021 (ADBG). Diese Bestimmungen regeln die Art und Weise wie die Öffentlichkeit zu informieren ist, nicht näher, sondern sehen nur vor, dass die Veröffentlichung bei besonders schutzbedürftigen Personen, Freizeitsportlern oder Whistleblowern unterbleiben kann. Aus Sicht der Argumentation in der Anregung der Vorabentscheidung ist diese Regelung im ADBG in Österreich nicht mit der DSGVO vereinbar.

Dopingstrafen als Strafdaten des Art 10 DSGVO

Unbestritten ist, dass die ehemaligen Spitzensportler Regeln verletzt haben und dafür bestraft wurden. Offen bleibt, ob es rechtmäßig ist, dass ihre Verstöße für jedermann und zu jeder Zeit in der Datenbank der NADA im Internet abrufbar sein dürfen. Für diese Einordnung spielt es unter anderem eine entscheidende Rolle, ob Dopingstrafen Straftaten darstellen. Dazu ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der Straftat unionsrechtlich autonom auszulegen ist. Aus Sicht der ehemaligen Sportler ist eine Sperre wegen Doping eine Maßnahme mit gänzlich gleicher Wirkung wie eine gerichtliche Strafe. Sie zieht eine Ächtung in der Öffentlichkeit nach sich und bedeutet ein Berufsverbot für den Sportler, der zudem die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Zudem existieren dafür in Österreich (ADGB und StGB) auch gerichtliche Strafen, die neben der Dopingsperre verhängt werden können. Gerichtliche Strafen, ihre Tilgung und die Einsicht in das Strafregister sind in Österreich gesetzlich geregelt. Sie unterliegen staatlicher Aufsicht. Selbst langjährige Freiheitsstrafen werden nach bestimmter Zeit getilgt. Eine lebenslange Dopingsperre bleibt ewig abrufbar. Die ältesten Betroffenen einer lebenslangen Sperre sind 59 und 66 Jahre alt. Beide müssen nach der Logik der NADA bis an ihr Lebensende auf der Doping-Liste der NADA stehen. Ist es verhältnismäßig, dass zB ein dann 89-jähriger ehemaliger Triathlet oder ein zB 78-jähriger Radfahrer in diesem Alter noch dieses Stigma tragen müssen?

Aus Sicht der ehemaligen Sportler ist die Dopingstrafe eine Strafsanktion und unterliegt daher den Vorschriften des Art 10 DSGVO hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten. Das würde bedeuten, dass Dopingsperren, Dopingstrafen und gerichtliche Strafen datenschutzrechtlich ident behandelt werden müssen und unterschiedslose Veröffentlichung dieser Informationen durch die NADA gegen die DSGVO verstößt.

Das ADBG regelt in seinem § 1, dass Doping dem Grundsatz der Fairness Sport und dem Sportsgeist widerspricht und außerdem der Gesundheit schaden kann. Dies ist unbestritten. Zweck des ADGB und der Regeln von WADA und NADA ist die Verhinderung von Doping. Das ADBG liefert allerdings keine Begründung, weshalb die Veröffentlichung personenbezogener Daten von Dopingtätern zur Erreichung dieses Ziels beitragen soll. Nur ein minimaler Anteil der Bevölkerung, deutlich weniger als 1 %, betreibt Spitzensport. Für mehr als 99 % der Bevölkerung sind Dopingregeln bedeutungslos. Daher ist die generalpräventive Wirkung vernachlässigbar. Spezialprävention erfordert auch keine Veröffentlichung. Die verurteilte Person wird durch das Verfahren mit einer Strafe belegt, die den lebenslangen Ausschluss nach sich ziehen kann. Die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten stellt ein reines „Zur-Schau“-Stellen dar und wirkt wie eine Anprangerung.

Aus Sicht der ehemaligen Sportler ist die nationale Bestimmung des § 23 Abs 14 Satz 1 ADBG 2021 zu unbestimmt und steht mit den strengen Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 DSGVO nicht im Einklang. Es fehlt an Bestimmungen, welche allgemeinen Bedingungen und Kriterien für die Regelung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung und der Veröffentlichung von Verstößen gelten.

Die Veröffentlichung der Daten geht weit über das hinaus, was notwendig ist, um dem Zweck des Gesetzes gerecht zu werden. Die Entscheidung, welche Verstöße veröffentlicht werden und welche nicht, unterliegt keiner unabhängigen Kontrolle, sodass theoretisch die Möglichkeit bestünde, auch ungerechtfertigt Daten zu veröffentlichen, wogegen sich die davon betroffene Person nicht wirksam zur Wehr setzen kann. Das bewirkt ein Rechtsschutzdefizit, das im Widerspruch zu den Grundsätzen der DSGVO steht.

Fazit

Die Schlußanträge der Generalanwältin folgen am 14.09.2023, 09.30 Uhr. Eines ist unbestritten: Dopingsünder haben das Gesetz gebrochen. Es ist allerdings aus ihrer Sicht nicht verhältnismäßig, dass die Weltöffentlichkeit diesen Umstand unterschiedslos zu jeder Zeit und an jedem Ort der Welt durch Eingabe von Vorname und Nachname in eine Suchmaschine erfahren darf.

Sportrecht Rechtsanwalt Doping - DSGVO

Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck LL.M. berät und vertritt ehemalige Sportler bei Rechtsfragen rund um Sportrecht, Doping, Sportbetrug und die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).