Auf der Facebook-Seite eines Abgeordneten zum Nationalrat (Grüne) war von 01.02.2013 bis zumindest 04.02.2013 folgender Text abrufbar, der sich auf einen Abgeordneten einer anderen Fraktion (FPÖ) bezog, wie folgt:
„Scheiße im Hirn und redest von der Wahrheit. Aber einem kriminellen Lügner, dem Nazi S***** glaubt der Vollpfosten jedes Wort. Johnny, du bist eine absolute Null. Epic fail. Hoffentlich scheiterst im Oktober nicht am Kreuzchen machen“
Der Text wurde vom Facebook-Nutzer „Miroslav K*****“ verfasst. Der Abgeordnete der Grünen hatte (und hat) als Administrator seiner Facebook-Seite jedoch die Möglichkeit, jeden Kommentar ganz zu löschen, für andere User unsichtbar zu machen und andere Kommentierende ganz zu „sperren“, d.h. ein Verfassen weiterer Kommentare auf seiner Facebook-Seite technisch zu verhindern. Am 1. Februar 2013 (Freitag) wurde der Abgeordnete (Gründe) per E-Mail zur Löschung aufgefordert. Er entdeckte „am folgenden Wochenende“ das Posting. Am 4. Februar 2013 (Montag) holte er den Rat eines Juristen ein, der ihm mitteilte, er solle das Posting vorsichtshalber löschen. Der Abgeordnete (Grüne) löschte daraufhin das Posting.
Der auf diese Art bezeichnete zweite Abgeordnete (FPÖ) begehrte vom Inhaber der Facebook-Seite (Grüne) nach § 6 Abs 1 MedienG Zahlung einer Entschädigung und Urteilsveröffentlichung. Der Antrag wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien abgewiesen. Die Generalprokurator erhob dagegen eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, der der Oberste Gerichtshof keine Folge gab.
Aus der Begründung:
Der Antragsgegner ist im Hinblick auf die ausschließlich ihm zukommende Gestaltungsmacht in Betreff der Beiträge des solcherart von ihm moderierten Diskussionsforums Medieninhaber nach § 1 Abs 1 Z 8 lit c MedienG.
Bei der Bestimmung der gebotenen Sorgfalt sind einerseits die Vielfalt an Websites, auf denen Äußerungen zugänglich gemacht werden, die rasche Entwicklung elektronischer Medien, deren technische Gegebenheiten, die Verkehrsauffassung und die Besonderheiten des Internets zu berücksichtigen, andererseits sind die Sorgfaltsanforderungen – unter Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabs – an die Diversität real existierender Medieninhaber abzustimmen. Schließlich ist – unter dem Blickwinkel des Art 10 MRK – auf den Beitrag, den Diskussionsforen im Internet zu einer offenen und lebendigen Diskussion gesellschaftlich wichtiger Fragen in einer demokratischen Öffentlichkeit leisten, Bedacht zu nehmen.
Von einem professionellen Betreiber, der auch wirtschaftliche Interessen an in seinem Medium veröffentlichten Kommentaren hat, ist ein höherer Kenntnisstand der einschlägigen Gesetzgebung und Rechtsprechung und somit eine raschere Reaktion zu erwarten, als von einer Privatperson, die auf ihrem Facebook-Profil ein Gästebuch eingerichtet hat.
Kenntnis von der Rechtswidrigkeit eines Inhalts ist nicht erst bei aktuellem Unrechtsbewusstsein, sondern schon dann anzunehmen, wenn die Rechtsverletzung auch für den juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen wie für jedermann (§ 9 Abs 2 erster Halbsatz StGB) leicht erkennbar ist.
Die Sorgfaltspflichten des Medieninhabers dürfen nicht überspannt werden. Einerseits ist auf die Schwere der Rechtsverletzung und die Dringlichkeit der Reaktion abzustellen. Andererseits sind Umstände aus der Sphäre des Medieninhabers zu berücksichtigen, wie insbesondere, ob er eine kommerzielle Website betreibt, durch Art und Präsentation eigener Inhalte ein besonderes Risiko einer Rechtsverletzung geschaffen hat oder sonst (etwa aufgrund früherer Vorkommnisse) damit rechnen musste.
Wer ist Medieninhaber einer Facebook-Seite – rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof beschäftigt sich in dieser Sache mit der Vorfrage, wer Medieninhaber einer Facebook Seite ist. Nach § 1 Abs 1 Z 8 lit c MedienG ist Medieninhaber eines elektronischen Mediums, wer dessen inhaltliche Gestaltung besorgt und dessen Ausstrahlung, Abrufbarkeit oder Verbreitung entweder besorgt oder veranlasst.
In der Entscheidung bezieht sich der OGH auf die Feststellungen, nach denen der Administrator einer Facebook Seite die Möglichkeit hat, jeden Kommentar ganz zu löschen, für andere User unsichtbar zu machen und andere Kommentierende ganz zu „sperren“, d.h. ein Verfassen weiterer Kommentare auf seiner Facebook-Seite technisch zu verhindern. Auf diese Gestaltungsmöglichkeiten stellt der OGH ab. Er sieht darin die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Z 8 lit c MedienG als erfüllt an und damit den Administrator einer Seite als Medieninhaber an.