Marktbeherrschung nach dem Kartellgesetz
Marktbeherrschend nach dem Kartellgesetz ist ein Unternehmer, der als Anbieter oder Nachfrager keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat (§ 4 Abs 1 KartG). Als marktbeherrschend gilt aber auch ein Unternehmer, der eine im Verhältnis zu seinen Abnehmern oder Lieferanten überragende Marktstellung hat. Eine solche liegt insbesondere vor, wenn diese zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind (§ 4 Abs 3 KartG). Diese „Grundregeln“ gilt es nun auf den KFZ-Vertrieb umzulegen.
Kartellobergericht 1993: Importeur als Marktbeherrscher
1993 wurde ein Sachverhalt rund um das Vertriebssystem von Fiat und Lancia an das Kartellobergericht herangetragen (Okt 3/93, 14.06.1993). Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht hat den Markt – dem bis heute gültigen Bedarfsmarktkonzept folgend – aus der Sicht der Marktgegenseite abgegrenzt. Konkret waren das die Fiat-Vertragshändler, die ihren Bedarf nur bei einem Fiat-Importeur decken können, weil ein Markenwechsel für sie mit schwerwiegenden betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist: Markenspezifische Werkzeuge und Kenntnisse sind dann nicht mehr oder nur noch beschränkt einsetzbar; der Kundenstock muss neu aufgebaut werden, weil er bis zu einem gewissen Grad an die Marke gebunden ist. Daher ist aus Sicht der Vertragshändler der relevante Markt auf Fiat (und Lancia) Fahrzeuge eingeschränkt. Als Alleinvertriebsberechtigte ist der Importeur auf diesem Markt keinem Wettbewerb ausgesetzt; der Markt wird daher von ihm beherrscht.
Folgeentscheidungen des OGH
Der Oberste Gerichtshof hat auch nach dieser Entscheidung des Kartellobergerichtes mehrfach ausgesprochen, dass Alleinimporteure von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Marke marktbeherrschende Unternehmen iSv § 34 KartellG 1988 (nunmehr § 4 KartellG 2005) sind:
- 4 Ob 62/98s = ÖBl 1998, 256 – Servicegutscheine
- 8 Ob 295/99m = ÖBl 2001, 272 - I-GmbH
- 4 Ob 62/00x = ÖBl 2001, 137 - SAV)
Diese Aussage hat er in 4 Ob 187/02g und 4 Ob 119/09t dahingehend relativiert, dass im Einzelfall - in Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts - zu prüfen ist, in welchem Umfang der Vertragshändler auch Fahrzeuge anderer Hersteller vertrieben hat und ob er zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung zur Generalimporteurin angewiesen war.
Stellungnahme der BWB zu Beispielsachverhalten im KFZ-Vertrieb
Die Bundeswettbewerbsbehörde hat 2016 eine Stellungnahme zu Beispielsachverhalten im Bereich des KFZ-Vertriebs erstattet. Dabei hat die BWB auf die Entscheidung des Kartellobergerichtes aus 1993 Bezug genommen und führt aus:
„Soweit ersichtlich dürften die damals genannten Gesichtspunkte auch weiterhin auf Vertriebsverträge im Kfz-Bereich zutreffen. Der Grad der Abhängigkeit scheint indes seit 1993 tendenziell sogar gestiegenzu sein.“
Bedeutung der Einordnung des Importeurs als Marktbeherrscher
Die Einordnung des Importeurs als Marktbeherrscher hat gewichtige Konsequenzen. Das Kartellgesetz wird dadurch anwendbar. Dem Marktbeherrscher ist der Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung verboten (§ 5 KartG). Dieser Missbrauch kann insbesondere in Folgendem bestehen:
- der Forderung nach Geschäftsbedingungen, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden, wobei insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmern auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen sind,
- der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher,
- der Benachteiligung von Vertragspartnern im Wettbewerb durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen,
- der an die Vertragsschließung geknüpften Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen,
- dem sachlich nicht gerechtfertigten Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis.
Potentielle Missbrauchssachverhalte im KFZ-Vertrieb
Ausgehend von all diesen Vorgaben hat die BWB Sachverhalte geprüft, die sich im Einzelfall als missbräuchlich darstellen können.
Dies gilt etwa für Investitionen in Architektur, Ausstattung und Einrichtung von Schauräumen, Werkstatt, etc. Derartige Vorgaben können sich als missbräuchlich erweisen, wenn
- der geforderte Investitionszyklus auffällig von einer üblichen Abschreibungsdauer für das betreffende Vermögensgut abweicht,
- die geforderte Investitionshöhe in einem auffälligen Missverhältnis zu den Umsatz- und Ertragschancen des Geschäftsbetriebes steht,
- betriebswirtschaftlich unvernünftige oder unvertretbareInvestitionen gefordert werden,
- eine Bindung für bestimmte Waren und Leistungen an bestimmte Bezugsquellen besteht, insbesondere, wenn diese einem Drittvergleich nicht standhalten.
Zudem kann die an die Vertragsschließung geknüpfte Bedingung, zusätzliche Leistungen anzunehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen (Koppelung), nach § 5 Abs 1 Z 4 KartG missbräuchlich sein. Dies kann etwa für den Bezug von Fliesen, Teppiche, Möbel, Schilder, Planungsleistungen, etc, gelten, die in keinerlei sachlichen Zusammenhang mit den Hauptleistungen des Vertrages stehen.
Ein weiterer zentraler Streitpunkt zwischen Händlern und Importeuren ist die Vergütung von Leistungen, die Vertragswerkstätten im Rahmen von Gewährleistung und Herstellergarantie erbringen. Nach Ansicht der BWB kann es missbräuchlich sind, wenn
- Richtzeiten oä systematisch unter den tatsächlich für die Mängelbehebung erforderlichen Zeiten festgesetzt werden,
- Zeiten für die notwendige Vor- und Nachbereitung (Fehlersuche, Probefahrt, etc) systematisch nicht vergütet werden,
- Gemeinkosten, die für die Aufrechterhaltung des Betriebs einer Kfz-Werkstatt bzw eines Ersatzteillagers erforderlich sind, systematisch nicht vergütet werden,
- Formvorschriften zum Anlass genommen werden, die Vergütung tatsächlich erbrachter Leistungen zu verweigern.
Darüber hinaus standen auch variable Spannenbestandteile am Prüfstand, die zB von der Kundenzufriedenheit abhängen. Das Vorliegen bestimmter Elemente, die - allenfalls in Kumulation - auf eine willkürliche Gewährung von Boni hindeuten, kann aber einen Missbrauch indizieren. Dazu werden etwa zu zählen sein:
- Möglichkeit zur willkürlichen Festsetzung von Zielwerten bzw Verwendung dynamischer Zielwerte, die sich nicht an der objektiven Erreichung von Zielgrößen orientieren (zB: die besten x% erhalten eine Vergütung)
- Abfrage der Zufriedenheit unter Verwendung unüblicher Bewertungsschemata
- Fehlende Transparenz und Rückmeldung über das Zustandekommen von Ergebnissen