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Leben mit dem Nachbar - Rechtslage

Rechtsanwalt Nachbarrecht

Das Zusammenleben mit dem Nachbar bietet viele Rechtsfragen. Der Weg zu Gericht könnte oft vermieden werden. Emotion spielt meist eine größere Rolle als Sachlichkeit. Im Interview mit der Kronenzeitung hat Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck LL.M. Fragen zum Nachbarrecht (Lärm, Licht, Zaun, Bäume, Sträucher, usw) beantwortet.

 Zusammenleben von Nachbarn in Österreich - Rücksichtnahmepflicht

Das Gesetz (ABGB) sagt, dass Nachbarn (Eigentümer benachbarter Grundstücke) bei der Ausübung ihrer Rechte aufeinander Rücksicht zu nehmen haben. Ein Nachbarschaftsstreit landet in Österreich typischerweise vor dem Bezirksgericht. Dort langen insgesamt pro Jahr rund 360.000 neue Geschäftsfälle ein. Nachbarschaftsrecht ist nur ein sehr kleiner Teil davon. Vermuteter Grund: Herr und Frau Österreich wissen, dass der Nachbar auch nach dem Streit noch neben ihnen wohnt. Fakt ist, dass es bei Nachbarschaftsstreitigkeiten beinahe nie einen Sieger gibt. Als Anwalt rate ich daher immer zu einer Lösung im Einvernehmen. Ein richtiger Streithansel ist der Österreicher nicht. In aller Regel siegt die Vernunft über die Emotion. Gibt es einen Nachbarschaftsstreit hat dieser meist einen tieferen Grund, oft einer lange gestörten Kommunikation. Nur so lässt sich dann verstehen, welche Lappalien manchmal vor Gericht landen. Im Nachbarrecht ist vom Gericht die Frage des Interessensausgleichs zwischen den Nachbarn zu beurteilen. Nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch können dem Nachbarn die von seinem Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung usw untersagt werden. Maßgeblich sind die ortsüblichen Verhältnisse.

Lärm, was gilt?

Musikhören, Hundebellen, Partys, Gäste, spielende Kinder, Poolplantschen, Windspiel mit Klang im Garten, Musik-Instrument üben: darf man das? In der Zeit von 22 bis 6 Uhr, sind selbst mit der üblichen Benützung der Räume verbundene lärmerregende Verrichtungen zu unterlassen, sofern sie wegen der beruflichen Tätigkeit des Verursachers nur zu einer Zeit vorgenommen werden könnten, zu der die übrigen Hausbewohner Anspruch auf Ruhe haben. Hundegebell kann eine unzulässige Lärmimmission darstellen. Klavierspiel ist nach der Rechtsprechung seit jeher in Wohnvierteln (konkret 1080 Wien) ortüblich, soweit es nicht während der üblichen Ruhestunden (Mittagszeit, Nachtzeit) betrieben wird. Den durch Gäste oder Kunden hervorgerufenen Lärm muss sich der Nutzer der Immobilie zurechnen lassen. Bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit ist nicht nur die Lautstärke, sondern auch die subjektive Lästigkeit maßgebend. Es kommt aber nicht auf eine besondere Empfindlichkeit der betroffenen Person an, sondern auf das Empfinden eines durchschnittlichen Bewohners des betroffenen Grundstückes. Für diese Lästigkeit sind vor allem die Tonhöhe, die Dauer und die Eigenart der Geräusche entscheidend. Bei einem jedenfalls vorhandenen Grundgeräuschpegel von 45 dB(A) ist eine Erhöhung des Geräuschpegels auf über 50 dB(A) jedenfalls unzulässig.

Welche Regeln gelten bei Licht (Lampen, Gartenlaternen, Poolbeleuchtung)?

Gelegentliches Licht einer Swimmingpoolbeleuchtung in den Nachstunden den Lichtfarben rot-grün-blau ist hinzunehmen. Eine 60 Watt starke Vorplatzbeleuchtung ist im Siedlungsgebiet vom Nachbarn zu dulden.

Der Zaun - Muss man einen Zaun haben?

Es gibt keine generelle Verpflichtung, einen Zaun zu errichten. Anders ist das nur, wenn eine Einfriedung nötig ist. Dafür muss nach dem Gesetz ein Bedürfnis zum Schutz des Nachbargrundstücks rechts vom Haupteingang (aus der Sicht des Eintretenden) bestehen. Für die Errichtung des Zaunes darf der Nachbargrund nicht in Anspruch genommen werden. Sollte Unklarheit herrschen, wem ein Zaun „gehört“ empfiehlt sich eine Vermessung.

Baum und Busch schneiden - Wer darf was?

Jeder Eigentümer kann die in seinen Grund eindringenden Wurzeln einer fremden Pflanze aus seinem Boden entfernen und die über seinem Luftraum hängenden Äste abschneiden oder sonst benützen. Dabei hat er aber fachgerecht vorzugehen und die Pflanze möglichst zu schonen. Die für die Entfernung der Wurzeln oder das Abschneiden der Äste notwendigen Kosten hat der beeinträchtigte Grundeigentümer zu tragen. Sofern diesem aber durch die Wurzeln oder Äste ein Schaden entstanden ist oder offenbar droht, hat der Eigentümer des Baumes oder der Pflanze die Hälfte der notwendigen Kosten zu ersetzen.

Haustiere

Ein weiterer Zankapfel sind oft die Haustiere, die Frage ihrer Haltung und deren Eingrenzung durch einen Zauen. Die Rechsprechung hat sich dabei schon mehrfach damit auseinerandergesetzt. Die Frage der Ortsüblichkeit ist auch bei der Tierhaltung maßgeblich. Die Haltung von Ziegen, Schweinen, Rindern und anderen Nutztieren im ländlichen Gebiet ist anders zu beurteilen als in der Stadt. Der Oberste Gerichtshof hat sich 2011 mit Katzen beschäftigt und ist zum Schluss gekommen, dass die Grenzüberschreitung einer Katze mit freiem Auslauf aufgrund ihrer Wesensart nicht verhindert werden kann. Es besteht kein gesetzliches Gebot, Katzen ausschließlich innerhalb von Wohnräumlichkeiten zu halten. Die Anbindehaltung von Katzen ist auch kurzfristig nicht erlaubt. Das Quaken von Fröschen, die sich in einem Schwimmteich ansiedeln, ist kein unzulässiger Lärm, der dem Eigentümer des Biotops zur Last gelegt werden kann.

Spielt besondere Empfindlichkeit eine Rolle?

Nach der Rechtsprechung ist der Maßstab bei Lärm, Licht und Co das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen. Auf die besondere Empfindlichkeit einer Person ist nicht Bedacht zu nehmen. Allerdings können besondere Umstände (Krankheit, Aufenthalt von Kleinkindern) eine besondere nachbarrechtliche Rücksichtnahme gebieten. Beweispflichtig, dass der Eingriff die vom Gesetz gezogenen Grenzen nicht überschreitet, ist der Beklagte.

Wohin kann ich mich wenden, wenn ich ständig Ärger mit meinem Nachbarn habe?

Wenn jegliche Basis zum Gespräch unter Nachbarn fehlt, bleibt nur der Weg zu Rechtsanwalt und Gericht.

Muss es immer zum Streit kommen?

Zum Streiten gehören immer zwei und es macht noch immer der Ton die Musik. Streitigkeiten unter Nachbarn sind solche, die man fast immer vermeiden kann, wenn man daran denkt.