Ausschluss von Bewertungen aus der Gesamtbewertung
Die Klägerin betreibt ein Fitnessstudio an mehreren Standorten in Bayern. Die Beklagte hat ihren Sitz in Irland und betreibt unter Yelp.de europaweit besuchsstärksten Bewertungsportal für lokale Geschäfte. Standort 1 wurde von 76, Standort 2 von 78 Nutzern bewertet. Das Bewertungsportal betrieb unter diesen Bewertungen eine Selektion und ließ nicht alle Bewertungen zu. Rund 95 % wurden ausgesondert. Sie ließ konkret nur 2 bzw 3 in die Gesamtbewertung einfließen und bildete daraus den Durchschnitt. Die restlichen Bewertungen stufte das Yelp als „momentan nicht empfohlen“ ein. Aus dieser Auswahl ergab sich eine Bewertung von 2,5 bzw 3 von 5 möglichen Sternen. Wären alle Bewertungen eingeflossen, hätte sich ein Bewertungsergebnis von 5 von 5 Sternen ergeben. Die Basis für die Bewertung der Beklagten ist eine Empfehlungssoftware.
Die unterdurchschnittliche bzw durchschnittliche Bewertung Gesamtbewertung von 2,5 bzw. 3 Sternen beeinträchtigt das Fitnessstudio besonders schwer, weil Nutzer von Bewertungsplattformen dazu neigen, bereits nach einem flüchtigen Überblick über die Gesamtbewertungen nur auf Grund der angezeigten Sterne, Noten o.ä. Angebote mit unterdurchschnittlicher Bewertung von vorneherein auszuscheiden und sich nur mit besser bewerteten Angeboten näher zu befassen. Dabei werden nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten auf de bei 39% der Bewertungen fünf Sterne vergeben, bei 27% vier Sterne und bei 13% drei Sterne. Die Klägerin beantragte die Unterlassung der Selektion einzelner Bewertung sowie die Zuerkennung von Schadenersatz.
OLG München - Haftung Bewertungsportal
Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen. Die Berufung der Klägerin an das OLG München (OLG München, 13.11.2018, 18 U 1280/16) war erfolgreich. Das Gericht beurteilte den Sachverhalt nach deutschem Recht, zumal das schädigende Ereignis in Deutschland eintrat und hier auch der Erfolgsort lag (Art 7 Nr. 2 EuGVVO).
Nach Ansicht des Gerichtes verletzen die Gesamtbewertungen der Fitnessstudios die Klägerin in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht und stellen einen rechtswidrigen Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Die Beklagte haftet dafür als unmittelbare Störerin. Der Grund liegt in der Auswahl einzelner Bewertungen im Rahmen eines als Geschäftsgeheimnis nicht offengelegten Algorithmus. Damit stellt die Gesamtbewertung eine eigene Äußerung des Bewertungsportales.
Das Bewertungsportal konnte keinen nachvollziehbaren Grund dafür darlegen, die Fitnessstudios schlechter zu bewerten, als es dem rechnerischen Durchschnitt der abgegebenen Bewertungen entspricht. Sie gab auch keine Anhaltspunkte dafür an, dass die nicht empfohlenen Bewertungen gefälscht oder beeinflusst sind.
Nach Ansicht des Gerichtes fehlte es im vorliegenden Fall an der erforderlichen vollständigen Darstellung einer „Vielzahl von subjektiven Wahrnehmungen“ infolge der streitgegenständlichen Aussonderung von jeweils mehr als 95% (!) der abgegebenen Bewertungen. Diese Aussonderung ist für die Nutzer nicht ohne weiteres erkennbar. Zudem werden die maßgeblichen Gewichtungskriteriennicht vollständig offengelegt. Dadurch entsteht kein hilfreiches, sondern ein verzerrtes Gesamtbild. Die vom Bewertungsportal mit Hilfe ihrer Empfehlungssoftware ausgewiesene Gesamtbewertung steht zum Wesen eines Bewertungsportals im Widerspruch. Die Bewertung fußt zwar auf Bewertungen von Nutzern, spiegelt aber nicht das Gesamtbild der abgegebenen Bewertungen wider und ist deshalb nicht repräsentativ. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Revision zum BGH wurde zugelassen.
Hintergrund: Übernahme von Qype durch Yelp
Das Bewertungsportal Yelp übernahm die Ende 2013 geschlossene Online-Community Qype, deren Hauptinhalt nutzergenerierte, standortbezogene Bewertungen lokaler Standorte waren. Der Kaufpreis lag bei 50 Millionen US-Dollar für zwei Millionen Bewertungen und 15 Millionen Besuchern. Im Zuge der Übernahme von Qype durch Yelp wurden bestehende Bewertungen – teilweise in sehr großem Umfang – geändert. Dies führte dazu, dass Bewertungen als „momentan nicht empfohlen“ eingestuft wurden, was nachhaltige Auswirkungen auf die Bewertungsergebnisse der Kunden von Qype/Yelp hatte und zu einem Verlust von bis dahin guten Positionen führte und Umsatzeinbußen zur Folge hatte.
Rechtsfragen zu Bewertungen im Internet samt Übersicht über die Rechtsprechung
Weitere Informationen zur rechtlichen Einordnung von Bewertungen im Internet samt einer Übersicht über die dazu bereits ergangene Rechtsprechung finden Sie auf
Rechtsanwalt Bewertungen im Internet | Anwalt
Ob man Bewertungen im Internet (Google, Facebook, Amazon, Ebay, Yelp, Jameda, ...) löschen muss oder einen Anspruch darauf hat, eine Bewertung löschen zu lassen, ist eine Frage des Einzelfalles. Eine generelle Antwort ist nicht möglich. Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck LL.M. berät und vertritt Sie im Zusammenhang mit Bewertungen im Internet.