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Bewertungen im Internet - Aktuelle Rechtsprechung zusammengefasst

Bewertungen im Internet - Rechtsanwalt - Rezensionen löschen - ORF - Anwalt
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Der Oberste Gerichtshof hat sich in mehreren Entscheidungen mit Bewertungen beschäftigt. Die Rechtsprechung ist ein Abbild der gesteigerten Bedeutung von Rezensionen. Die drei aktuellsten Entscheidungen beschäftigen sich mit einem zu Unrecht schlecht bewerteten Immobilienmakler, der Lehrerbewertungs-App Lernsieg und der unrechtmäßigen Bewertung einer Rechtsanwältin.

Negativbewertung Immobilienmakler – 6 Ob 135/20a

Die erste Entscheidung betraf einen Mann, der Schilderungen seiner Mutter über den Ablauf der Rückgabe einer Mietwohnung zum Anlass nahm, auf Google über eine Immobilienmaklerin im eigenen Namen folgende Bewertung mit einem von fünf Sternen, abzugeben:

„Sehr herablassende Umgangsweise gegenüber Kunden/Mietern.Makler beleidigt, bedroht und denunziert Mieter bei Wohnungsübergabe – ein absolut unprofessionelles Auftreten. Zum Glück gibt es auch andere Immobilienmakler, die Menschen mit Wertschätzung gegenübertreten.“

Basis für die Bewertung war die Schilderung seiner Mutter, dass der Geschäftsführer seine Eltern nicht mit Handschlag gegrüßt habe. Den Hinweis auf Beleidigung, Bedrohung und Denunzierung bezog der Beklagte auf den Gebrauch des Wortes „Dahergelaufener“ durch den Geschäftsführer wie von seiner Mutter geschildert bzw die Erwähnung des Umstands, dass er wisse, wo seine Eltern wohnten. Beim Übergabetermin war der Beklagte nicht anwesend.

Aus Sicht des Höchstgerichtes (Auszug, verkürzt und zusammengefasst) wirft der Vorwurf von Beleidigung und Drohung strafbares Verhalten vor, was jedenfalls als ehrenrührig anzusehen ist. Eine Bewertung ist in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Sie ist nicht in Einzelteile zu zerlegen und danach zu trachten bzw zu beurteilen, ob diese jeweils der Wahrheit entsprechen oder nicht, sondern zu prüfen, ob die Bewertung auf ein wahres Tatsachensubstrat zurückzuführen ist.

Es entspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Bewertungen auf Internetplattformen vom Empfängerhorizont nicht für ,,bare Münze“ genommen werden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung deckt unwahre Tatsachenbehauptungen nicht. Werturteile, die konkludente Tatsachenbehauptungen sind, dürfen nicht schrankenlos geäußert werden. Angesichts der heutigen Reizüberflutung sind selbst überspitzte Formulierungen unter Umständen hinzunehmen, soweit kein massiver Wertungsexzess vorliegt. Der unwahre Vorwurf, jemanden beleidigt, bedroht und denunziert zu haben, kann ebenso wenig hingenommen werden wie der unwahre Vorwurf sonstiger strafbarer Handlungen. Zum Schadenersatz  wegen Bewertungen: Es liegt am Kläger, Behauptungen zum eigenen Unternehmenswert aufzustellen und zumindest exemplarisch darzulegen, ob bzw welche Aufträge sie aufgrund der Bewertung verloren hat.

Lernsieg – Bewertungsapp für Lehrer – 6 Ob 129/21w

Am Prüfstand der zweiten Entscheidung befand sich Lernsieg, eine App für die Bewertung von Schulen und Lehrern. Ein HTL-Lehrer klagte den Entwickler und dessen Unternehmen auf Unterlassung der Verarbeitung seiner Daten sowie Löschung derselben (Vornahme, Nachname Ingenieurtitel sowie Verknüpfung mit der Möglichkeit der Bewertung). Die App muss im App-Store heruntergeladen werden. Es erfolgt eine Verifizierung durch Eingabe der Telefonnummer. Es können nur die ausgewählte Schule und deren Lehrer bewertet werden. Ein Wechsel der Schule in der App ist zwar möglich, jedoch mit einer Löschung aller Bewertungen der alten Schule verbunden. Eine Überprüfung, ob ein Nutzer tatsächlich die ausgewählte Schule besucht oder von den bewerteten Lehrern unterrichtet wird, erfolgt nicht. Die Bewertung erfolgt anhand einzelner, vorgegebener Kriterien, zu denen der Nutzer jeweils eine Teilbewertung von einem bis fünf Sternen abgeben kann. Diese Teilbewertungen kann er dann durch Auswahl von für die Bewertung ausschlaggebenden Unterkriterien näher begründen. Aus den Teilbewertungen wird eine Gesamtbewertung berechnet. Freitextbewertungen sind nicht möglich.

Aus Sicht des Höchstgerichtes (Auszug, verkürzt und zusammengefasst) besteht ein legitimes Interesse daran zu erfahren, wie die Unterrichtsqualität individueller Lehrer von ihren Schülerinnen und Schülern bewertet wird. Die namentlich zugeordnete Wiedergabe der (Durchschnitts-)Bewertungen ist zur Erreichung der legitimen Informationsziele geeignet. Die Missbrauchsmöglichkeit steht dem Befund nicht entgegen, dass eine Veröffentlichung der mit den Namen der Lehrer verknüpften Bewertungen zur Zielerreichung geeignet ist. Die mit derartigen Missbräuchen verbundenen Gefahren für die Persönlichkeitsrechte der bewerteten Lehrer sind in die Abwägung einzubeziehen, ob die Grundrechte und Grundfreiheiten des Betroffenen gegenüber den mit der Datenverarbeitung verfolgten Interessen überwiegen.

Im Bereich der Sozialsphäre, in der der Betroffene als in Gemeinschaft stehender Mensch in Kommunikation mit Außenstehenden tritt, muss er sich auf die Beobachtung und Bewertung seines Verhaltens einstellen. Dies gilt in umso höherem Maße, je intensiver sich eine Person im öffentlichen und sozialen Leben betätigt. Auch im Bereich der Sozialsphäre sind aber schwerwiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht, insbesondere Stigmatisierung und Ausgrenzung, jedenfalls verboten. Das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Recht auf Namensanonymität gewährt kein allgemeines Recht, den öffentlichen „Gebrauch“ des Namens eines anderen, soweit dies durch bloße Namensnennung geschieht, zu unterlassen.

Die Beurteilung, ob ein Eingriff in den wirtschaftlichen Ruf und die persönliche Ehre einer Person nach § 1330 ABGB rechtswidrig ist, bedarf einer umfassenden Interessenabwägung. Gibt eine Person eine Bewertung über einen Lehrer ab, so gibt sie damit implizit auch zu verstehen, als Basis der Bewertung über eigene Erfahrungen mit dem Bewerteten zu verfügen. Ist das nicht der Fall, ist die Äußerung geeignet, den Adressaten in einem wichtigen Punkt irrezuführen. Ein berechtigtes Interesse von Personen, die mit einem Lehrer keinen persönlichen Kontakt hatten, diesen zu bewerten, besteht daher nicht. An solchen Bewertungen besteht auch kein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit.

Bei anonymen Äußerungen besteht immer die Möglichkeit, dass Personen Leistungen bewerten, obwohl sie mangels persönlicher Erfahrungen redlicher Weise keine subjektive Einschätzung abgeben dürften. Die Möglichkeit anonymer Meinungsäußerung im Internet darf nicht schlechthin unterbunden werden, sondern es hat eine Interessenabwägung stattzufinden, was bedeutet, dass Personen, die von missbräuchlichen Bewertungen betroffen sind, einen derartigen Missbrauch bis zu einem gewissen Grad hinzunehmen haben.

Rechtlich relevante Gründe Bewertungen der Unterrichtsqualität eines Lehrers durch seine eigenen Schüler zu untersagen, liegen nicht vor. Die Gefahr schlechter Bewertungen ist grundsätzlich hinzunehmen, weil jede Beurteilung inhaltsleer würde, wenn schlechte Bewertungen bereits per se beanstandet werden könnten. Mit einer auf der App veröffentlichten schwachen Durchschnittsbewertung ist keine Prangerwirkung verbunden. Auch unsachlich motivierte Werturteile sind von der Meinungsäußerungsfreiheit erfasst, solange kein Wertungsexzess vorliegt.

Die individuellen Interessen von Personen, die die Unterrichtstätigkeit des Klägers bewerten, ohne persönliche Erfahrungen mit ihm gemacht zu haben, treten gegenüber den Interessen des Bewerteten zurück. Zu beurteilen ist, ob die Missbrauchsgefahr derart massiv in die Interessen des Bewerteten eingreift, dass deshalb die Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit sämtlicher App-Nutzer gerechtfertigt ist.

Wesentlich ist, dass die Bewertung allein die von der Schulöffentlichkeit wahrnehmbare berufliche Tätigkeit des Klägers betrifft und die veröffentlichten Durchschnittsbewertungen aufgrund der Beschränkung auf die Vergabe von Sternen Ehreingriffe durch Beschimpfungen oder exzessive Formulierungen verhindern und für passive Nutzer der App erkennbar ist, dass die Durchschnittsbewertungen bloß eine aus mehreren Bewertungen gemittelte Tendenz wiedergeben.

Die Bewertungen der Unterrichtstätigkeit können nur von Personen eingesehen werden, die die App herunterladen und die konkrete Schule auswählen, sodass nicht zu erwarten ist, dass der Bewertete allein durch die App einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird. Der Eingriff in die Interessen des Bewerteten durch die beanstandete Datenverarbeitung ist daher – auch unter Berücksichtigung der Missbrauchsmöglichkeit – nicht höher zu bewerten als das Interesse der Gesamtheit der App-Nutzer daran, die Unterrichtstätigkeit des Klägers zu bewerten und die (durchschnittlichen) Bewertungen einsehen zu können.

Rechtsanwältin wird zu Unrecht negativ bewertet - kein Mandatsverhältnis - 6 Ob 143/21d

Die Klägerin ist Rechtsanwältin und vertrat die Ehefrau des Beklagten im Zuge ihrer Scheidung vom Beklagten, der häufig bei der Klägerin anrief und dabei auch deren Mitarbeiterinnen beschimpfte. An einem Tag rief er an, weil er eine Abänderung des angestrebten Scheidungsvergleichs erreichen wollte. Nach Beendigung dieses Telefonats durch die Klägerin versuchte er etwa eine Stunde lang im „Sekundenabstand“, bei der Klägerin anzurufen. Da durch diese ständigen Anrufe die Telefonleitung permanent blockiert war, ließ die Klägerin die Telefonnummer des Beklagten in ihrer Telefonanlage sperren, sodass der Beklagte mit seiner Nummer bei der Klägerin nicht mehr anrufen konnte. In der Folge verfasste der Beklagte auf Google Maps eine Bewertung über die Klägerin, wobei er lediglich einen von fünf Sternen vergab und dazu schrieb:

„Meine Anrufe werden ignoriert und meine Nr. wurde gesperrt, somit ist die Rechtsanwalts Kanzlei mit meiner Nr. nicht erreichbar.“

Der Antrag der Rechtsanwältin richtete sich darauf, die Google Bewertung löschen  zu lassen. Für den Obersten Gerichtshof (Auszug, verkürzt und zusammengefasst) sind Bewertungen auf einer Online-Plattform nach den Grundsätzen des § 1330 ABGB zu beurteilen, wobei eine mit Begleittext kommentierte „Sterne“-Bewertung in ihrer Gesamtheit zu beurteilen ist. Die Auslegung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung hat nach dem Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfängers zu erfolgen. Für eine Tatsachenbehauptung ist wesentlich, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann. Sofern ihre objektive Richtigkeit überprüfbar ist, sind auch bewertende Einschätzungen Tatsachenbehauptungen gleichzusetzen.

Unwahr ist eine Äußerung, wenn ihr sachlicher Kern im Zeitpunkt der Äußerung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Die Unrichtigkeit einer Tatsachenbehauptung kann sich auch aus einer Unvollständigkeit des bekanntgegebenen Sachverhalts ergeben, die das dem Betroffenen vorgeworfene Verhalten in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt bzw wodurch ein falscher Eindruck erweckt wird. Somit kommt es darauf an, ob durch das Weglassen von Umständen der Sachverhalt so entstellt wird, dass die Äußerung geeignet ist, deren Adressaten in einem wichtigen Punkt irrezuführen. Das Weglassen des Grundes der Sperre einer Telefonnummer (wesentlicher Umstand) stellt eine verkürzte Wiedergabe des Sachverhalts dar. Es wird dadurch der unrichtige Eindruck erweckt, der Beklagte sei ein Mandant (Mandatsverhältnis Rechtsanwalt Klient) der Rechtsanwältin gewesen bzw habe sich mit einem berechtigten Anliegen an die Rechtsanwältin gewandt, worauf diese mit einer Sperre seiner Telefonnummer reagiert habe.

Rechtsanwalt Bewertung – Anwalt Rezensionen löschen

Rechtsanwalt Dr. Johannes Öhlböck LL.M. berät und vertritt Privatpersonen und Unternehmen im Zusammenhang mit Rechtsfragen zum Thema Rezensionen entfernen und Bewertungen löschen.